Bundestag (Deutscher Bund)

Bundestag (Deutscher Bund)
Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt, Sitz des Bundestages

Der Bundestag (oder Bundesversammlung) mit Sitz in Frankfurt am Main war das oberste Organ des Deutschen Bundes. Als ständiger Gesandtenkongress bildete er von 1815 bis 1848 und von 1851 bis 1866 die einzige zentrale Institution, die für ganz Deutschland zuständig war.

Ins Leben gerufen wurde der Bundestag auf Beschluss des Wiener Kongresses, der nach den Napoleonischen Kriegen eine neue Friedensordnung für Europa und eine neue Verfassungsordnung für Deutschland schaffen sollte. Die auf ihre Souveränität bedachten deutschen Staaten – damals vier Freie Städte und 37 Fürstenstaaten – konnten sich jedoch nicht auf eine Wiederherstellung des 1806 aufgelösten Kaiserreichs einigen.

Daher sah die Deutsche Bundesakte von 1815, die Bestandteil der Wiener Kongressakte war, einen Bundestag als ständigen Gesandtenkongress aller Mitgliedsstaaten vor, der an die Stelle der früheren kaiserlichen Zentralgewalt treten sollte. Zum Sitz des Bundestages wurde das Palais Thurn und Taxis in der Freien Stadt Frankfurt am Main bestimmt, wo er ab dem 5. November 1816 einmal wöchentlich tagte.

Im Engeren Rat (Bundesregierung) wurden Beschlüsse durch einfache Mehrheit gefasst. Beschlüsse besonderer Tragweite wurden vom engeren Rat an das Plenum gegeben, das mit 2/3 Mehrheit beschloss. Änderungen der Grundgesetze und Beschlüsse in Religionsangelegenheiten bedurften der Einstimmigkeit. Den ständigen Vorsitz im Bundestag führte der Gesandte Österreichs. Die Beschlüsse des Bundestages waren für die Mitgliedsstaaten bindend, die Ausführung lag aber allein in deren Händen. Auch die Hoheit über Zoll-, Polizei- und Militärwesen verblieb bei den Einzelstaaten.

Im engeren Rat hatten die Landesherren der 11 deutschen Groß- und Mittelstaaten (Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover – vertreten durch den König von Großbritannien als König von Hannover –, Württemberg, Baden, Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Holstein und Lauenburg – vertreten durch den König von Dänemark als Herzog von Holstein und Herzog von Lauenburg – sowie Luxemburg – vertreten durch den König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg – je eine Virilstimme, während die Kleinstaaten zu 6 Gruppen zusammengefasst waren und mit je einer Kuriatstimme abstimmten:

Im Plenum zählten 70 Stimmen, die sich in Abhängigkeit von der Größe auf die verschiedenen Staaten verteilten: Österreich und die 5 Königreiche (Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover und Württemberg) je 4 Stimmen. Baden, Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Holstein und Luxemburg je 3 Stimmen, Braunschweig, Mecklenburg-Schwerin und Nassau je 2 Stimmen und die übrigen 25 Kleinstaaten und freien Städte je 1 Stimme.

Als Folge der Märzrevolution erklärte der Bundestag seine Tätigkeit im Juli 1848 für beendet und übertrug seine Befugnisse auf die Nationalversammlung, das erste frei gewählte deutsche Parlament und auf die von diesem geschaffene Provisorische Regierung. Nach dem Scheitern der Revolution wurde der Bundestag im September 1850 jedoch wieder hergestellt. Endgültig aufgelöst wurde er erst, als der Deutsche Bund 1866 im Deutschen Krieg zerbrach und Frankfurt von Preußen annektiert wurde. Seine Befugnisse gingen zunächst auf den Reichstag des Norddeutschen Bundes, nach der deutschen Einigung 1871 auf den Deutschen Reichstag über.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Deutscher Bund — (hierzu die Karte »Deutschland während des Deutschen Bundes«), der auf der deutschen Bundesakte vom 8./10. Juni 1815 beruhende deutsche Staatenbund, bestand bis 1866. Sein Gebiet lag zwischen 5°41 und 19°51 östl. L. und zwischen 45°5 und 54°52… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Deutscher Bund — (Geogr. u. Stat.). Schon im ersten Pariser Frieden wurde die Vereinigung der nach Auflösung des Deutschen Reichs souverain gewordenen Staaten zu einem Staatenbunde beschlossen, ohne daß dadurch das Deutsche Reich wieder hergestellt, od. der durch …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Deutscher Bund — Der Deutsche Bund war ein Staatenbund überwiegend deutschsprachiger Staaten zwischen 1815 und 1866. Er wurde am 8. Juni 1815 auf dem Wiener Kongress ins Leben gerufen. Er folgte dem 1806 aufgelösten Heiligen Römischen Reich und dem napoleonischen …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Bund — Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation; Deutschland; Deutsches Reich * * * I Deutscher Bund   Auf dem Wiener Kongress versuchten die maßgeblichen Staatsmänner, allen voran der österreichische Außenminister Fürst Metternich, Europa neu zu… …   Universal-Lexikon

  • Bundesversammlung (Deutscher Bund) — Das Palais Thurn und Taxis in Frankfurt, Sitz des Bundestages Der Bundestag (oder Bundesversammlung) mit Sitz in Frankfurt am Main war das oberste Organ des Deutschen Bundes. Als ständiger Gesandtenkongress bildete er von 1815 bis 1848 und von… …   Deutsch Wikipedia

  • Bundesheer (Deutscher Bund) — Das Deutsche Bundesheer war eine von den Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes aufgestellte Streitmacht, deren Hauptaufgabe die Verteidigung der Mitglieder gegen äußere Feinde sein sollte. Hierbei hatte man an erster Stelle Frankreich im Auge,… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Bruderkrieg — Deutscher Krieg Szene aus der kriegsentscheidenden Schlacht von Königgrätz; von …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Bundeskrieg — Deutscher Krieg Szene aus der kriegsentscheidenden Schlacht von Königgrätz; von …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Krieg von 1866 — Deutscher Krieg Szene aus der kriegsentscheidenden Schlacht von Königgrätz; von …   Deutsch Wikipedia

  • Bundestag (Begriffsklärung) — Bundestag bezeichnet: Deutscher Bundestag, das Parlament der Bundesrepublik Deutschland Bundestag (Deutscher Bund), der Gesandtenkongress der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes Bundestag (Österreich), das ehemalige Akklamationsorgan des… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”