Alexander Porfirjewitsch Borodin

Alexander Porfirjewitsch Borodin

Alexander Porfirjewitsch Borodin (russisch Александр Порфирьевич Бородин, Transliteration Aleksandr Porfir'evič Borodin; * 31. Oktoberjul./ 12. November 1833greg. in Sankt Petersburg; † 15.jul./ 27. Februar 1887greg. ebd.) war als Universalgelehrter sowohl ein bedeutender russischer Komponist (dabei zeitweise Schüler von Rimski-Korsakow) als auch Chemiker und Mediziner.

Alexander Borodin

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Leben

Alexander Borodin war der uneheliche Sohn des georgischen Fürsten Luka Gedewanischwili (1772–1840) und dessen 24-jähriger Mätresse Awdotja Konstantinowna Antonowa. Da der Fürst verheiratet war, ließ er das Kind als den Sohn seines Dieners Porfiri Borodin registrieren. Der Vater, ein pensionierter Leutnant der russischen Armee, führte seine Herkunft auf die Herrscherfamilie Gedevanishvili des früheren georgischen Königreichs Imeretien zurück. Kurz vor seinem Tod hat er sich zu seinem Sohn bekannt.

Borodin wuchs bei seiner Mutter in St. Petersburg auf. Dort erhielt er eine gute und umfassende Ausbildung. Er erwies sich als außerordentlich talentiert und erlernte neben den Sprachen Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch auch das Spiel auf dem Klavier, der Flöte und dem Cello.

Im Jahre 1863 heiratete Borodin die Russin Jekaterina Protopopowa, eine brillante junge Pianistin. Sie lernten sich während seines Deutschlandaufenthaltes in Heidelberg kennen und verliebten sich auf einer gemeinsamen Reise nach Baden-Baden, wo sie sich auch verlobten. Sie hatten drei Töchter.

Gegen Ende seines Lebens litt Borodin vermehrt an den Folgen einer Cholerainfektion und an Herzbeschwerden. Am 27. Februar 1887 nahm er dennoch an einem Ball seiner Akademie teil, wo er inmitten der Festlichkeiten an einem Herzinfarkt verstarb. Er wurde auf dem Tichwin-Friedhof des Alexander-Newski-Klosters in St. Petersburg beigesetzt.

Borodin als Naturwissenschaftler

1850 begann er seine Ausbildung an der Militärakademie für Medizin und Chirurgie in St. Petersburg, wo er bald seine lebenslange Leidenschaft für die experimentelle Chemie entdeckte. 1858 promovierte er an derselben Akademie zum Doktor der Medizin. In seiner Doktorarbeit befasste er sich mit Untersuchungen der chemischen und toxikologischen Eigenschaften der Phosphor- und Arsensäuren. Nach seiner Promotion war er für ein Jahr Hauschirurg in einem Militärhospital, anschließend verließ er Russland, um sich in Westeuropa wissenschaftlich fortzubilden. Sein Lehrer Nikolai Nikolajewitsch Sinin ermöglichte ihm ein Auslandsstipendium in Europa. Sein erstes Ziel war das Laboratorium von Emil Erlenmeyer in der Karpfengasse 2 in Heidelberg. Er traf dort auch auf russische Landsleute, unter anderen Mendelejew und Setschenow. Nach zwei Jahren wurde das Stipendium noch verlängert, er ging jedoch dann nach Pisa zu Sebastiano de Luca.

Nach seiner Rückkehr erhielt er im Jahre 1862 eine Professur für organische Chemie an der Akademie in St. Petersburg, wo er sich fortan seinen chemischen Studien widmete.

Borodin erforschte organische Reaktionen und Verbindungen und entwickelte in diesem Zusammenhang eine wichtige Labormethode zur analytischen Harnstoffbestimmung in der Medizin. Für die organische Chemie bis heute bedeutend sind seine späteren Forschungen an der oben genannten Militärakademie, die im Jahre 1861 zur Etablierung der Synthese der fluororganischen Verbindungen führten. Borodin publizierte auch eine Arbeit Zur Geschichte der Fluorverbindungen und über das Fluorbenzoyl in Liebigs Annalen der Chemie. Von großer Bedeutung sind seine Untersuchungen auf dem Gebiet der Polymerisation und Kondensation der Aldehyde sowie die fundamentale Entdeckung der Aldol-Addition im Jahre 1872. Weitere wichtige Meilensteine seiner Forscherkarriere sind die nach ihm benannte Borodinsche Silberdecarboxylierung und die Hunsdiecker-Borodin-Reaktion.

Borodin als Komponist

Weltweit bekannt wurde Borodin weniger als Wissenschaftler, sondern als Komponist. Wie Borodin es schaffte, neben seiner Professur an der Akademie noch Zeit für die Musik zu finden, bleibt ein Rätsel. In einem Brief an seine Frau beschreibt er

die Schwierigkeit, zu ein und derselben Zeit sowohl ein Glinka als auch ein Stupischin (ein Staatsbeamter), ein Wissenschaftler, ein Regierungsbeauftragter, ein Künstler, ein Staatsbeamter, ein Philanthrop, ein Vater von Kindern anderer Leute, ein Arzt und invalid zu sein... Am Ende wird man nur das letzte.

1864 kam er jedoch mit Mili Balakirew zusammen. Durch ihn lernte Borodin die drei Komponisten César Cui, Modest Mussorgski und Nikolai Rimski-Korsakow kennen. Auf diese Weise wurde Borodin das fünfte und letzte Mitglied der nationalrussischen Gruppe der Fünf. Ihr epischer romantischer Stil lässt sich am ehesten mit dem Richard Wagners vergleichen.

Im Jahre 1869 wurde Borodins erste Sinfonie, dirigiert von Balakirew, aufgeführt. Im selben Jahr begann Borodin mit der Arbeit an seiner heroischen OperFürst Igor“, mit den berühmten „Polowetzer Tänzen“. Dieses Werk, dessen Libretto der Komponist selbst aus dem mittelalterlichen Igorlied zusammenstellte, wird häufig als sein bedeutendstes angesehen. Es blieb bis zu seinem Tode unvollendet, was wohl auf Borodins immense Arbeitsbelastung als Forscher zurückzuführen ist. „Fürst Igor“ wurde später von Alexander Glasunow und Nikolai Rimski-Korsakow vollendet und orchestriert. Ebenso unvollendet blieb eine dritte Symphonie, zu deren postumen Vollendung wiederum Glasunow beitrug.

Die Premiere seiner zweiten Symphonie war zunächst ein Fehlschlag, aber als Franz Liszt 1880 in Baden-Baden eine weitere Aufführung unter der Leitung von Wendelin Weißheimer arrangierte, kam Borodin auch außerhalb von Russland zu einigem Ruhm. Begeistert schreibt Borodin an Weißheimer: „Herr Professor Riedel war so freundlich, mich über den Erfolg meiner Symphonie zu benachrichtigen. Den guten Erfolg habe ich ohne Zweifel der ausgezeichneten Ausführung unter Ihrer talentvollen Leitung zuzuschreiben.“

Borodin selbst bezeichnete Musik als „Zeitvertreib, als eine Erholung von ernsteren Beschäftigungen“, womit er wohl seine Arbeit als Wissenschaftler meinte.

Nachwirkung im Musical

1953 „plünderten“ und bearbeiteten Robert Wright und George Forrest das musikalische Werk Borodins und statteten ihr 1953 am Broadway uraufgeführtes Musical Kismet komplett mit der Musik des Komponisten aus. Das Musical wurde international ein großer Erfolg, auch im Londoner West End, und wurde mit Ann Blythe verfilmt. 1954 wurde Borodin dafür postum der Tony Award verliehen. 1978 wurde das Musical mit dem All Black Ensemble unter dem Namen Timbuktu noch einmal in New York auf die Bühne gebracht, wobei Borodins Melodien mit afrikanischer Volksmusik kombiniert wurden. Es spielten und sangen Eartha Kitt und Melba Moore.

Das Grabmonument des Komponisten auf dem Tichwin-Friedhof in St. Petersburg zieren Noten aus der Musicalpartitur. Der Song Stranger in Paradise (Polowetzer Tänze aus Fürst Igor; im Musical Tanz der Jungfrauen) wurde ein Welthit und von Tony Bennett, Four Aces und Bing Crosby erfolgreich interpretiert.

Sonstiges

Das 1945 als Philharmonisches Quartett Moskau in der damaligen Sowjetunion gegründete Streichquartett benannte sich 1955 zu Ehren des Komponisten um und musiziert seither unter dem Namen Borodin-Quartett.

Werke

Bühnenwerke

Opern

  • Die Recken ("Bogatyri") - Opernfarce nach W. Krylow in 5 Szenen unter Verwendung von Musik von Rossini, Meyerbeer, Offenbach, Serow, Verdi und anderen, instrumentiert von E. Merten, 1867, Uraufführung: Moskau 1867, unveröffentlicht
  • Fürst Igor - Oper mit einem Prolog und 4 Akten, Libretto: A.Borodin auf der Grundlage des russischen Epos "Das Lied von der Heerfahrt Igors", 1869-87, unvollendet hinterlassen, von Rimsky-Korsakow und Glasunow 1887/88 vervollständigt und teilweise orchestriert, Uraufführung: St.Petersburg 1890

Orchesterwerke

  • Sinfonie Nr.1 Es-Dur - 1862-67
  • Sinfonie Nr.2 h-Moll - 1869-76
  • Eine Steppenskizze aus Mittelasien - Sinfonische Dichtung, 1880
  • Sinfonie Nr.3 a-Moll - 1886/87, nur 2 Sätze vollendet, von Glasunow instrumentiert

Kammermusik

  • Quartett D-Dur - für Flöte, Oboe, Viola und Violoncello, unter Verwendung von Musik von Haydn, 1852-56
  • Trio g-Moll - für 2 Violinen und Violoncello nach dem russischen Volkslied "Wie hab ich die betrübt", 1855
  • Cellosonate c-Moll - 1860, nach einem Thema aus Bachs Sonate Nr.1 g-Moll BWV 1001
  • Klaviertrio D-Dur - in drei Sätzen (der vierte ist verloren), 1850er Jahre/Anfang 1860er Jahre
  • Streichquintett f-Moll - für zwei Violinen, Viola und 2 Violoncelli, 1859/60, Vollendung der Coda im Finale durch O.A.Jewlachow (1960)
  • Klavierquintett c-Moll - 1862
  • Streichquartett Nr.1 A-Dur - 1874-79
  • Streichquartett Nr.2 D-Dur - 1881
  • Scherzo D-Dur - für Streichquartett aus der Sammlung "Les Vendredis", 1882, von Glasunow in der 3.Sinfonie verwendet
  • Serenata alla spagnola d-Moll - für das Streichquartett "B-LA-F", in Zusammenarbeit mit Rimsky-Korsakow, Glasunow und Ljadow, 1886

Klavierwerke

Klavier zu 2 Händen

  • Pathetisches Adagio As-Dur - 1849
  • Beiträge zu den Tati-Tati-Paraphrasen - für 3 Hände, Polka, Trauermarsch, Requiem und Mazurka, in Zusammenarbeit mit Cui, Ljadow, Rimsky-Korsakow und Liszt, 1874-78
  • Petite Suite - 1885, instrumentiert von Glasunow (1889)
  • Scherzo As-Dur - 1885

Klavier zu 4 Händen

  • Hélène-Polka d-Moll - 1843
  • Allegretto Des-Dur - 1861, nach dem 3. Satz des Streichquintetts
  • Scherzo E-Dur - 1861
  • Tarantella D-Dur - 1862

Vokalinstrumentale Werke

Lieder

  • Warum bist du so früh, Sonnenaufgang - Solowjow, 1852-55
  • Das schöne Mädchen liebt mich nicht länger ("Die Liebe ist vergangen") - Winogradow, für Singstimme, Klavier und Cello, 1853-55
  • Hört, Freunde, mein Lied - v.Kruse, 1853-55
  • Das schöne Fischermädchen - Heine, 1854-55 (auch für Singstimme, Klavier und Cello)
  • Ballade von der schlafenden Prinzessin - Borodin, 1867, von Rimsky-Korsakow orchestriert
  • Das Lied des dunklen Waldes - Borodin, 1868, von Glasunow für zweistimmigen Männerchor und Orchester bearbeitet (1873)
  • Die Meeresprinzessin - Borodin, 1868
  • Die falsche Note - Borodin, 1868
  • Vergiftet sind meine Lieder - Heine, 1868
  • Das Meer - Borodin, 1870, orchestriert 1884 und von Rimsky-Korsakow (1896)
  • Aus meinen Tränen - Heine, 1870
  • Arabische Melodie - Übersetzung von Borodin, 1881
  • Für die Ufer der fernen Heimat ("Aus fremden Landen zurückkehren") - Puschkin, 1881, orchestriert von Glasunow
  • Bei Menschen zu Hause - Nekrassow, 1881, von Borodin 1881 auch orchestriert
  • Stolz ("Der Hochnäsige") - Tolstoi, 1884/85
  • Bezaubernder Garten ("Septain") - Übersetzung von Borodin, 1885

Vokalwerke

  • Serenade von 4 Kavalieren für eine Dame - Komisches Quartett für 4 Männerstimmen mit Klavierbegleitung, 1870

Transkriptionen

  • Sinfonie Nr.1 für Klavier zu 4 Händen - 1875
  • Sinfonie Nr.2 für Klavier zu 4 Händen - 1877
  • Streichquartett Nr.1 für Klavier zu 4 Händen - 1887
  • Eine Steppenskizze aus Mittelasien für Klavier zu 4 Händen - 1882
  • Das Meer - Orchestrierung, 1884

Fragmente und verlorene Werke

  • Konzert D-Dur/d-Moll - für Flöte und Klavier, 1847, verloren
  • Trio für 2 Violinen und Violoncello G-Dur - über ein Thema aus Meyerbeers "Robert der Teufel", 1847
  • Le courant - Etüde, 1849, verloren
  • Fantasie über ein Thema von Hummel - 1849, verloren
  • Fugen - für Klavier, 1851/52, verloren
  • Scherzo b-Moll - für Klavier, 1852, verloren
  • Barmherziger Gott - 1852-55, unvollendet, unveröffentlicht
  • Potpurri A-Dur - für Klavier über Themen aus Donizettis Oper "Lucrezia Borgia", vermutlich als Klavierstimme für ein kammermusikalisches Werk konzipiert, 1852-55, unvollendet, unveröffentlicht
  • Trio G-Dur - für 2 Violinen und Violoncello in einem Satz?, 1850er Jahre?, fragmentarisch
  • Großes Trio G-Dur - für 2 Violinen und Violoncello, nur die ersten beiden Sätze vollendet, 1852-56(?)
  • Streichsextett d-Moll - 2 Sätze, die letzten 2 Sätze verloren, 1860/61
  • Scherzo h-Moll - für Klavier, 1852, verloren
  • Misera me! Barbaro sorte - Duett für Tenor, Baß und Klavier, 1850, unvollendet, unveröffentlicht
  • Fuge - für Klavier, 1862, verloren
  • Eine südliche Nacht - Parodie für Klavier auf eine Romanze von Rimsky-Korsakow, 1866(?), nicht niedergeschrieben
  • Die Zarenbraut - Entwurf zu einer Oper nach Mey, 1867/68, unvollendet, das Material für andere Werke verwendet
  • Sechzig Variationen über ein böhmisches Thema - Musikalischer Spaß für Klavier, 1867, nur eine Variationen komponiert
  • Ej uchnjem - Entwurf zu Bearbeitung des russischen Volksliedes für Klavier, 1870er Jahre, unveröffentlicht
  • Walzer über das Thema des Liedes des Warlaam aus Mussorgskys Oper "Boris Godunow" - Musikalischer Spaß für Klavier, 70er Jahre, nicht niedergeschrieben
  • Quadrille über Motive aus Rimsky-Korsakows Oper "Das Mädchen von Pskow" - Musikalischer Spaß für Klavier, 1870er Jahre, nicht niedergeschrieben
  • Ein Husar, gestützt auf seinen Säbel - Musikalischer Spaß für Klavier nach einer russischen Romanze, 1870er Jahre, nicht niedergeschrieben
  • Lanzé in den Kirchentonarten - Musikalischer Spaß für Klavier, 1870er Jahre, nicht niedergeschrieben
  • Mlada - 4.Akt der gemeinsamen Ballettoper von Borodin, Cui, Mussorgsky und Rimsky-Korsakow, unvollendet, 1872, Finale von Rimsky-Korsakow instrumentiert (1892)
  • Klavierstück Es-Dur - Fragment, 1879
  • Gott schütze Kyrill! Gott schütze Methodius! - für Männerchor a cappella, 1885, unvollendet, vollendet von P. Lamm

Diskographie

  • The Essential Borodin. Decca, London 1997, Nr. 455 632-2

Literatur

  • Ernst Kuhn (Hrsg.): Alexander Borodin. Sein Leben, seine Musik, seine Schriften. Verlag Ernst Kuhn, Berlin 1992 ISBN 3-928864-03-3

Weblinks

 Commons: Alexander Borodin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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