Hermann Josef Schmidt

Hermann Josef Schmidt

Hermann Josef Schmidt (* 5. Mai 1939 in Köln) ist ein deutscher Philosoph.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Schmidt studierte an der Universität Freiburg im Breisgau Philosophie bei Eugen Fink und Wolfgang Struve. Er promovierte 1968 mit dem Thema Nietzsches Sokratesbild. Seit 1969 lehrt er in Dortmund, wo er sich an der PH Ruhr 1976 habilitierte und an der Universität Dortmund ab 1980 als Professor wirkt. 2004 verabschiedete er sich mit seiner „Abtrittsvorlesung“ in den Ruhestand. Darin stellt er die Frage: „Wollen Sie unter der Herrschaft von Ajatollas oder der Taliban, von Rabbinern oder des Opus dei leben? Erinnerung: Aufklärung und Kritik als philosophia perennis“. Seit 1991 war Schmidt Initiator und Veranstalter des Dortmunder Nietzsche-Kolloquiums. Dessen Vorträge und Ergebnisse wurden zu einem Großteil in dem Jahrbuch Nietzscheforschung veröffentlicht. Er ist weiterhin Mitherausgeber der Zeitschrift Aufklärung und Kritik der Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Nietzsche-Gesellschaft, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), des Kuratoriums und Beirats der Giordano Bruno Stiftung und er ist Ehrenvorsitzender der Ernst-Ortlepp-Gesellschaft.

Im Mittelpunkt von Schmidts Forschungen steht Friedrich Nietzsche. Außergewöhnlich ist dabei seine psychologisch-biografische Herangehensweise, die so in der Nietzsche-Forschung ohne Vorbild dasteht. Seiner Auffassung nach ist Nietzsches philosophische Entwicklung durch Erlebnisse in seiner Kindheit vorgezeichnet – das Schlüsselerlebnis ist der frühe Tod des Vaters, wodurch der Glaube an den christlichen Gott schon beim vierjährigen Nietzsche erschüttert wurde. Seine Studien zur Kindheit und Jugend Nietzsches veröffentlichte Schmidt in dem monumentalen Werk Nietzsche absconditus (4 Bände, 2500 Seiten). [1] Schmidt ist einer der wenigen Nietzscheforscher von Rang, die zur Erhellung von Nietzsches Kindheit auch das umstrittene Werk My Sister and I für diskussionswürdig halten (in Teil III: Nietzsche absconditissimus, S. 629–663).

Zum Nietzsche-Jubiläumsjahr 2000 veröffentlichte Schmidt eine „Streitschrift für mehr Kompetenz, Konsequenz, Mut, Nachdenklichkeit und Redlichkeit in der Nietzscheinterpretation“ unter dem Titel Wider weitere Entnietzschung Nietzsches. Darin hält er der dominierenden Nietzsche-Forschung einen „Interpretativen Lasterkatalog“ in 25 Punkten entgegen. Sein Vorwurf an den „mainstream“, der großteils von Theologen und Philosophen theologischen Geistes gestellt werde, ist deren Vereinnahmung Nietzsches für ihre weltanschaulichen Zwecke. Schmidt hingegen insistiert darauf, dass der genuine, nicht „entnietzschte“ Nietzsche zur Tradition einer „der Aufklärung und kritischen Humanität“ verpflichteten Sichtweise gehört.

Fussnoten

  1. Eine kritische Betrachtung dazu: Klaus Goch: Mehlsuppe und Prophetenkuchen. Wege und Irrwege der psycho-biographischen Nietzsche-Forschung. In: Nietzscheforschung. Jahrbuch der Nietzsche-Gesellschaft, Band 16, 2009, S. 283-304.
    Dazu eine Replik: Hermann Josef Schmidt: Wadenbeißerphilologie. Zerrbilder eines Biographen oder dankenswerte Präsentation basaler Einwände? Klaus Goch artikuliert sich kritisch zu den Kindheitsbänden von ‚Nietzsche absconditus, oder Spurenlesen bei Nietzsche‘, 1991. In: Aufklärung und Kritik 18, 2/2011, S.162-186; Kürzestfassung: Inkompetenzdemonstration eines sich als Kritiker inszenierenden Biographen? Replik zu Klaus Goch. In: Nietzscheforschung. Jahrbuch der Nietzsche-Gesellschaft, Band 17, 2010, S. 293-297.

Werke

  • Nietzsche und Sokrates. Philosophische Untersuchungen zu Nietzsches Sokratesbild, Meisenheim 1969
  • 'Philosophie' als Problem. Anmerkungen zum Paradox und zur Sinnhaftigkeit von Philosophie, Rheinstetten 1977
  • Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche, Berlin/Aschaffenburg: IBDK-Verlag 1991-1994, 4 Bände, kartoniert, im Schuber ISBN 3-932710-00-2
    • Kindheit, Teil 1/2: An der Quelle: In der Pastorenfamilie, Naumburg 1854-1858 oder Wie ein Kind erschreckt entdeckt, wer es geworden ist, seine „christliche Erziehung“ unterminiert und in heimlicher poetophilosophischer Autotherapie erstes „eigenes Land“ gewinnt, Berlin/Aschaffenburg: IBDK-Verlag 1991 ISBN 3-932710-01-0 (S. 1-567)
    • Kindheit, Teil 3: [dito] ISBN 3-932710-01-0 (S. 568-1120)
    • Jugend, 1. Teilband 1858-1861: Interniert in der Gelehrtenschule. Pforta 1858-1864 oder Wie man entwickelt, was man kann, längst war und weiterhin gilt, wie man ausweicht und doch neue Wege erprobt, Berlin/Aschaffenburg: IBDK-Verlag 1993 ISBN 3-932710-02-9 (636 S.)
    • Jugend, 2. Teilband 1862-1864: [dito 1994] ISBN 3-932710-03-7 (763 S.)
  • Wider weitere Entnietzschung Nietzsches. Eine Streitschrift, Aschaffenburg: Alibri-Verlag 2000 ISBN 3-932710-26-6
  • Der alte Ortlepp war’s wohl doch, oder: Für mehr Mut, Kompetenz und Redlichkeit in der Nietzscheinterpretation. Aschaffenburg: Alibri-Verlag 2001 ISBN 3-932710-62-2; erweiterte Neuausgabe: Der alte Ortlepp war’s wohl doch, oder: Für Ernst Ortlepp und mehr Mut sowie genetische Kompetenz in der Nietzscheinterpretation. Aschaffenburg: Alibri-Verlag 2004 ISBN 3-932710-69-X

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hermann-Josef Zoche — (* 31. Dezember 1958 in Bremen) ist ein deutscher Augustinerpater, Theologe, Philosoph und Managementberater. Leben Hermann Josef Zoche besuchte zunächst die katholische St. Johannis Schu …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Josef Abs — in den 1970er Jahren Hermann Josef Abs (* 15. Oktober 1901 in Bonn; † 5. Februar 1994 in Bad Soden am Taunus) war ein bekannter deutscher Bankier und von 1957 bis 1967 Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG …   Deutsch Wikipedia

  • Josef Schmidt — (March 4, 1904 – November 16, 1942) was a tenor and actor. He was born in Davidene (Ukrainian: Davydivka), a small town in the Bukovina province of Austria Hungary, later Romania and now part of Ukraine.As a child of musical parents, young Josef… …   Wikipedia

  • Hermann Josef — Sarkophag des heiligen Hermann Josephs in der Basilika des Klosters Steinfeld Der Mystiker Hermann Joseph von Steinfeld (* um 1150 in Köln; † 7. April 1241 oder 1252 im Kloster Hoven bei Zülpich …   Deutsch Wikipedia

  • Schmidt (Name) — Schmidt mit den Varianten Schmitt, Schmitz, Schmid, Schmidl, Schmidli, Schmidtke, Schmied und Smid/Smidt ist ein häufiger deutscher Familienname. Herkunft Wie die meisten häufigen Familiennamen ist Schmidt von einem Beruf abgeleitet, hier von dem …   Deutsch Wikipedia

  • Schmidt — mit den Varianten Schmitt, Schmitz, Schmid, Schmidl, Schmidli, Schmidtke, Schmied und Smid/Smidt ist ein häufiger deutscher Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Häufigkeit …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Schmidt — ist der Name folgender Personen: Hermann Schmidt (Komponist) (1810–1845), königlich preußischer Hofkomponist und Ballettdirigent Hermann Schmidt (Schwarzburg Sondershausen) (1828 1904), Oberamtmann und Landtagsabgeordneter in Schwarzburg… …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Abs — Hermann Josef Abs in den 1970er Jahren Hermann Josef Abs (* 15. Oktober 1901 in Bonn; † 5. Februar 1994 in Bad Soden am Taunus) war ein bekannter deutscher Bankier und von 1957 bis 1967 Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG …   Deutsch Wikipedia

  • Josef Abs — Hermann Josef Abs in den 1970er Jahren Hermann Josef Abs (* 15. Oktober 1901 in Bonn; † 5. Februar 1994 in Bad Soden am Taunus) war ein bekannter deutscher Bankier und von 1957 bis 1967 Vorstandssprecher der Deutschen Bank AG …   Deutsch Wikipedia

  • Hermann Pünder (Politiker) — Hermann Pünder, 1932 Hermann Josef Pünder (* 1. April 1888 in Trier; † 3. Oktober 1976 in Fulda) war ein deutscher Politiker (Zentrum, nach 1945 CDU). Er war der jüngere Bru …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”