Wehrpflicht

Wehrpflicht
Weltkarte der Armeeformen:
  • keine (eigenen) Streitkräfte
  • keine Wehrpflicht (Freiwilligenarmee / Berufsarmee / ausgesetzt)
  • noch Wehrpflicht, aber Abschaffung in weniger als drei Jahren bereits beschlossen
  • Wehrpflicht
  • keine Angaben

Als Wehrpflicht bezeichnet man die Pflicht eines Staatsbürgers, für einen gewissen Zeitraum in der Armee oder einer anderen Wehrformation (zum Beispiel im Bereich des Katastrophenschutzes) seines Landes zu dienen. Ob und für wen eine Wehrpflicht besteht, ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt. Mit wenigen Ausnahmen (Israel, teilweise China[1]) erstreckt sich die Wehrpflicht nur auf die männliche Bevölkerung, dennoch wird häufig auch synonym von einer allgemeinen Wehrpflicht gesprochen.

Die Wehr- oder Ersatzdienstpflicht fällt unter den Ausnahmetatbestand in Art. 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit regelt.[2]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Heere, die aufgrund einer allgemeinen Aushebung aller wehrfähigen Männer aufgestellt wurden, gab es in der Geschichte immer wieder, etwa das Heer der römischen Republik oder Bürgergarden in Städten. Auch der preußische Staat befand sich mit dem Kantonssystem (Wehrfähige eines Gebietes waren für bestimmte militärische Einheiten enrolliert) auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigenarmee. Allgemein waren nach dem Zerfall des Lehnswesens des Mittelalters von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts jedoch Söldnerheere die Regel, die wenig ideologische oder nationalitätsbedingte Verbindung zu ihren Dienstherren hatten.

In Schweden führte König Gustav II. Adolf um 1630 eine (selektive) Wehrpflicht ein, indem er Männer rekrutierte, die „starkgliedrig und, soweit festgestellt werden kann, tapfer waren – im Alter von 18 bis 30 Jahren“, und diese aus Staatsmitteln ausrüstete und bezahlte, bestimmte Berufsgruppen jedoch vom Wehrdienst freistellte.

Das Frankreich der Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der Levée en masse 1793 fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht organisierte, auch wenn es daneben noch Freiwillige gab.

Die Opoltschenije war eine in Russland durch das Gesetz vom 13. Januar 1874 bei der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht einzuberufende Reichswehr für den Kriegsfall.

Seit dem Ende des Kalten Krieges und dem damit einhergehenden Verzicht auf Massenarmeen haben immer mehr Länder ihre Armeen von Wehrpflicht- auf Freiwilligen – und Berufsarmeen umgestellt. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen, wie die Entscheidung von Polen zeigt, bis 2011 seine Armee umzubauen. Inzwischen haben 24 der 28 NATO-Staaten[3] eine Berufsarmee. Von den bedeutenden Militärmächten innerhalb der NATO hält nur noch die Türkei an der Wehrpflicht fest. Insgesamt gesehen haben die weitaus meisten Länder der so genannten freien Welt inzwischen auf die Wehrpflicht verzichtet, während eine vergleichbare Tendenz weg von der Wehrpflicht bei Ländern mit einer totalitären Regierungsform bisher nicht eingetreten ist.

Deutschland

Hauptartikel: Wehrpflicht in Deutschland

Die Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 21. Juli 1956 eingeführt. Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung sah das Grundgesetz schon in seiner Urfassung ab 1949 vor.[4] Im März 1956 wurde die Möglichkeit eines Ersatzdienstes aufgenommen.[5] 1968 wurde auch die Wehrpflicht im Grundgesetz verankert.

Einberufene Wehrpflichtige 1957–2011

Am 15. Dezember 2010 wurde durch das Bundeskabinett eine Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 beschlossen.[6] Zum 1. Januar 2011 wurden zum letzten Mal alle Wehrpflichtigen zwangsweise einberufen, seit dem 1. März 2011 wurden Wehrpflichtige nicht mehr gegen ihren Willen zum Dienst verpflichtet.

Wehrpflichtig waren grundsätzlich alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind, die Heranziehungsgrenze für den Grundwehrdienst war das 23. Lebensjahr. Die Wehrpflicht wurde durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst in Deutschland erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes betrug seit dem 1. Juli 2010 sechs Monate.[7]

Dauer von Wehr- und Zivildienst in Deutschland (in Monaten)

In der Praxis leisteten von den 440.000 erfassten Männern des Jahrganges 1980 137.500 (31,25 %) den Grundwehrdienst, 152.000 (34,54 %) Zivildienst oder einen anderen Ersatzdienst, und 150.500 (34,2 %) wurden ausgemustert oder aus anderen Gründen nicht zum Dienst herangezogen.

Ein Vergleich mit anderen Ländern und ihrer Praxis in Bezug auf die Wehrpflicht ist nur bedingt möglich. Aufgrund der geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands wurde das Konzept der in ihrer Form in der damaligen Zeit einzigartigen „Inneren Führung“ und eng damit zusammenhängend des Leitbilds des „Staatsbürgers in Uniform“ geschaffen. Insbesondere sollte so sichergestellt werden, dass sich die deutsche Armee niemals wieder zu einem „Staat im Staat“ entwickeln kann. Vielmehr sollte die Bundeswehr als Parlamentsarmee, an deren Spitze nicht ein Militär, sondern ein Politiker steht, das „Recht und die Freiheit des deutschen Volkes“ (Feierliches Gelöbnis) verteidigen.

Österreich

Wehrdienst oder Zivildienst?

In Österreich gilt die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger vom 17. bis zum 50. Lebensjahr, für Offiziere und Unteroffiziere bis zum 65. Lebensjahr (Art 9a Abs 3 B-VG; § 1 Abs 2 und § 10 WG). Bis zum 35. Lebensjahr können Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst eingezogen werden. Die Dauer des Grundwehrdienstes beträgt sechs Monate – bis 2005 noch acht Monate, wobei zumindest sechs Monate ohne zeitliche Unterbrechung geleistet werden mussten. Die fehlenden Monate wurden über den Zeitraum von mehreren Jahren durch Waffenübungen ergänzt. Bis alle sechs Monate abgeleistet sind, befindet sich der Wehrpflichtige im Milizstand.

Wer den Dienst mit der Waffe verweigert, hat unabhängig vom Grund Wehrersatzdienst oder Zivildienst zu leisten. Dieser dauert neun Monate und kann bei verschiedenen Organisationen abgeleistet werden. Alternativ zum Zivildienst kann ein 12-monatiger Zivilersatzdienst im Ausland (Auslandsdienst) abgeleistet werden. Durch die Ablehnung des Dienstes an der Waffe ist es 15 Jahre lang ab diesem Zeitpunkt nicht möglich, waffenrechtliche Dokumente zu beantragen.

Bis zum Jahr 1971 betrug der Grundwehrdienst neun Monate, wobei die letzten zwei Wochen eine automatische Dienstfreistellung darstellten. Unter Bundeskanzler Kreisky wurde die Verkürzung auf sechs Monate plus 60 Tagen Truppenübung (=8 Monate) beschlossen, was eine de facto Verkürzung von nur zwei Wochen darstellte, da die Dienstfreistellung wegfiel. Wurden in den 1970er Jahren noch ein Großteil der Wehrpflichtigen zu sechs Monaten Grundwehrdienst einberufen und nur einige Spezialfunktionen mit 8-Monat-Grundwehrdienern besetzt, so änderte sich das im Lauf der Jahre. Im Zuge des Wiener Wahlkampfs im Oktober 2010 stellte Wiens Bürgermeister Häupl die Wehrpflicht in Frage und forderte diesbezüglich eine Volksbefragung. Ein daraufhin von den Grünen gestellter Antrag zur Durchführung einer Volksbefragung wurde jedoch von der SPÖ nicht unterstützt. Im Moment erstellt der Generalstab des österreichischen Bundesheers unterschiedliche Modelle zur Aussetzung der Wehrpflicht. Am 5. Jänner 2011 meldete der Kurier, es gäbe sieben verschiedene Modelle.[8] Der Chef des Generalstabs, Edmund Entacher, dementierte die vom "Kurier" publizierten Zahlen noch am selben Tag und meinte, die tatsächlichen Modelle würden in den folgenden zwei Wochen veröffentlicht werden.[9]

Diskussion Wehrpflicht für Frauen

Die Diskussion um die Wehrpflicht läuft in Österreich mit ähnlichen Argumenten wie in Deutschland (z. B. zur „Allgemeinen“ Wehrpflicht – nur für Männer[10]). Frauen unterliegen nicht der Wehrpflicht, können aber freiwillig Wehrdienst ableisten und diesen Dienst jederzeit beenden.[11]

Aktuell wird die Wehrpflicht für Frauen diskutiert.[12][13][14] Der Bundespräsident und Oberbefehlshaber des Bundesheeres dazu:

„Frauen bekommen immer mehr Rechte, da kann man auch argumentieren, sie müssen mehr Pflichten übernehmen.“

Bundespräsident Heinz Fischer: ORF-Pressestunde, 18. Juli 2010

Schweiz

In der Schweiz gilt für männliche Bürger gemäß Art. 59 Bundesverfassung die allgemeine Dienstpflicht. Im Abs. 1 dieses Artikels sieht die Verfassung seit 1992 einen zivilen Ersatzdienst vor (Zivildienst). Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. Die Wehrpflicht dauert gemäß Art. 13 Militärgesetz in der Regel vom 20. bis 34. Altersjahr (für Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und Offiziere bis Oberleutnant). Die Pflichtigen werden solange zu jährlichen Wiederholungskursen aufgeboten, bis eine dienstgradbezogene Anzahl von anrechenbaren Tagen erreicht ist. Für die Mannschaftsdienstgrade beträgt diese Zahl höchstens 262 Tage (siehe Schweizer Armee). Für Grade ab Hauptmann gibt es keine fixe Obergrenze. Sie leisten grundsätzlich sämtliche Dienstleistungen ihrer Einteilungsformation. Hauptleute werden im Alter von 42 Jahren entlassen, Majore im Alter von 50 (vgl. die Militärdienstverordnung (MDV)).

Die Nichterfüllung der Militärdienstpflicht ist strafbar nach Art. 81 ff. des Militärstrafgesetzes.

Erst seit 1996 besteht für militärdienstpflichtige Personen in der Schweiz die Möglichkeit, ihre Wehrpflicht im Rahmen eines zivilen Ersatzdienstes (Zivildienst) zu erfüllen .

Im Mai 2011 lehnte der Nationalrat mit 117 zu 53 Stimmen eine parlamentarische Initiative ab, die eine Sistierung der allgemeinen Wehrpflicht verlangt hat.[15] Derzeit werden Unterschriften für eine Volksinitiative gesammelt, welche die Aufhebung der Wehrpflicht verlangt.[16] Voraussichtlich wird die Initiative Ende 2011 zustandekommen.

Andere Länder (alphabetisch)

Australien

Hauptartikel: Wehrpflicht in Australien

In Australien existierten von 1903 bis 1980 zwei Freiwilligenarmeen. Die heutige Armee, die Australian Defence Force, umfasst etwa 53.000 Soldaten. Die Wehrpflicht wurde 1972 aufgehoben.

Belgien

Der Wehrdienst wurde in Belgien im Jahr 1995 abgeschafft. Seitdem hat man Mühe, genügend qualifiziertes Personal zu werben; es verpflichten sich vor allem Sozialschwache mit geringem Bildungsabschluss. Es kam so zu einem allgemeinen Qualitätsverlust in der Armee; sie spiegelt kein Gesamtbild der Gesellschaft mehr wider (vgl. Diskussion hierzu weiter oben).[17]

Bosnien und Herzegowina

Mit der Einführung einer einheitlichen Armee in Bosnien und Herzegowina wurde die allgemeine Wehrpflicht am 1. Januar 2006 aufgehoben.

China

In China dauert die Wehrpflicht 2 Jahre. Alle männlichen Bürger, die vor dem 31. Dezember eines Jahres das 18. Lebensjahr vollenden, können zum aktiven Dienst rekrutiert werden. Studenten sind von der allgemeinen Wehrpflicht befreit, allerdings müssen Frauen wie Männer einen mehrwöchigen Grundkurs auf dem Campusgelände ihrer jeweiligen Universität absolvieren. Weibliche Bürger können gemäß der oben genannten Bestimmung zum aktiven Dienst rekrutiert werden, wenn die Armee sie braucht. Die Volksbefreiungsarmee hat in Friedenszeiten eine Stärke von 2,3 Millionen Soldaten. Jedoch erreichen jedes Jahr mehr als 13 Millionen junger Männer das Wehrdienstalter. Durch Chinas riesige Bevölkerung und der dadurch großen Anzahl von Freiwilligen für die normale Armee hat Wehrpflicht praktisch kaum eine Bedeutung, und der Wehrdienst in der Volksbefreiungsarmee ist völlig freiwillig. Alle 18-Jährigen müssen sich selbst bei den Behörden einschreiben. Die vorwiegende Ausnahme in diesem System sind potentielle Studenten (männliche und weibliche), die militärisches Training (normalerweise für eine Woche oder mehr) mitmachen müssen, bevor ihre Studien beginnen oder - was öfter der Fall ist - ein Jahr nach Ende ihrer Studien (§ 43 des Wehrdienstgesetzes).

Frankreich

Frankreich hat die Wehrpflicht ab Ende 2001 ausgesetzt. Stattdessen wurde bereits 1998 die Journée d'appel de préparation à la défense (JAPD) (Vorbereitungstag für die Landesverteidigung) für alle französischen Jugendlichen, Jungen wie Mädchen, im In- und Ausland eingeführt. Die Jugendlichen nehmen daran in der Regel zwischen dem 16. und 18. Geburtstag teil. Die dort ausgegebene Teilnahmebescheinigung wird beispielsweise für die Teilnahme am Baccalauréat (Abitur) benötigt.[18][19]

Griechenland

In Griechenland gilt eine allgemeine Wehrpflicht für Männer zwischen 18 und 45 Jahren, die Wehrdienstdauer für Wehrpflichtige beträgt zurzeit (2008) zwölf Monate. Verwitwete Väter bzw. ältere Brüder mit der Sorgepflicht für einen oder mehrere Minderjährige sind von der Wehrpflicht befreit. Für Auslandsgriechen, die auch im Ausland geboren sind, beträgt die Wehrdienstdauer nur drei Monate. Andere Auslandsgriechen, Einwanderer mit griechischem Pass und Geschwister einer Familie mit sechs oder mehr Kindern haben das Recht auf eine auf sechs Monate reduzierte Wehrdienstdauer. Für den ältesten Bruder dreier Geschwister, für die zwei ältesten Brüder vierer Geschwister, und für Väter beträgt sie neun Monate. Für Frauen gilt keine Wehrpflicht, sie können jedoch ohne Einschränkungen dem Militär beitreten.

Israel

Israel zählt zu den wenigen Staaten der Welt, die die Wehrpflicht auf beide Geschlechter ausgedehnt haben. Hier sind Frauen verpflichtet, mindestens zwei Jahre Dienst in den dortigen Streitkräften abzuleisten, Männer müssen 3 Jahre absolvieren. Allerdings gibt es eine Reihe von Ausnahmen: So sind chassidische Juden, israelische Araber (Muslime und Christen, nicht jedoch Drusen) sowie alle nichtjüdischen, schwangeren oder verheirateten Frauen von der Wehrpflicht befreit. Nur Frauen ist es grundsätzlich gestattet, dem Wehrdienst aus Gewissensgründen nicht nachzukommen und einen Ersatzdienst (National Service) zu leisten. Obwohl die Tendenz steigend ist, ist bei Männern die Verweigerung des Wehrdienstes mit gesellschaftlicher Ächtung und nicht selten auch mit einem Strafverfahren verbunden.

Italien

In Italien wurde die Wehrpflicht (und der zivile Ersatzdienst) zum 1. Juli 2005 ausgesetzt.[20] Gleichzeitig wurde ein freiwilliger einjähriger Wehrdienst eingeführt, der jedoch Voraussetzung für Weiterverpflichtungen bei der Armee und für Bewerbungen bei Polizei, Carabinieri und anderen Sicherheitsbehörden ist. Das „Nationale Amt für den Zivildienst“ bietet daneben einen freiwilligen einjährigen Zivildienst an.

Kanada

In Kanada gab es außer während des Ersten und Zweiten Weltkrieges nie Wehrpflicht.

Kroatien

Im Oktober 2007 beschloss das kroatische Parlament, dass ab dem 1. Januar 2008 nur noch Freiwillige zur kroatischen Armee einberufen werden.

Namibia

In Namibia beziehungsweise Südwestafrika bestand vom 1. August 1980 bis zur Unabhängigkeit 1990 eine Wehrpflicht für Männer über 18 Jahre.[21] Sie wurden in die South West African Territorial Force (SWATF) einberufen und unter anderem zum Kampf gegen ihre eigenen Familien, die teilweise als Freiheitskämpfer der SWAPO (People's Liberation Army of Namibia) dienten, eingesetzt.[22]

Die Wehrpflicht wurde in die Verfassung Namibias nicht übernommen und somit ist die Namibian Defence Force eine reine Berufsarmee.

Polen

Im Herbst 2006 beschloss das polnische Parlament, die neunmonatige Wehrpflicht in Polen 2011 auslaufen zu lassen und spätestens 2012 eine reine Berufarmee einzuführen.[23] Dieser Plan wurde 2008 noch einmal von der Regierung beschleunigt, so dass seit 2010 in der polnischen Armee keine Wehrpflichtigen mehr Dienst tun.

Russland

Ab 1. Januar 2008 wurde die Dienstzeit für Wehrpflichtige in Russland auf 12 Monate reduziert. Zuvor hatte sie 24 Monate bei den Landstreitkräften und 36 Monate bei der Marine betragen. Die Verfassung der Russischen Föderation garantiert ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen. Zunächst hatten die Einberufungsbehörden - u.a. wegen des Fehlens von Ausführungsgesetzen - dieses Recht oft ignoriert. Der Dienst als Wehrpflichtiger in den russischen Streitkräften gilt als schwer erträglich bis lebensgefährlich und wird deshalb nach Möglichkeit, auch mithilfe von Korruption, umgangen. Für die in Russland wie anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion in den Reihen des Militärs üblichen Missstände und kriminellen Auswüchse (schikanöse Behandlung, Misshandlungen, Tötungen, echte und vorgetäuschte Selbstmorde) steht seit Jahrzehnten das Stichwort "Dedowschtschina". Seit 2004 existiert ein Zivildienstgesetz, wonach der Ersatzdienst allerdings mit 21 Monaten fast doppelt so lang ist wie der Militärdienst, grundsätzlich heimatfern und auch als unbewaffneter Dienst in den Streitkräften abgeleistet werden kann. Akademiker müssen nur eine kurze militärische Grundausbildung statt des regulären Wehrdienstes absolvieren. Der Dienst beim sowjetischen Geheimdienst KGB und den paramilitärischen Truppen des sowjetischen Innenministeriums und deren heutigen russischen Nachfolgeorganisationen galt bzw. gilt als Wehrdienst. In Kriegseinsätze werden heute nur noch Freiwillige ("Kontraktniki") geschickt. Diese "Vertragssoldaten" lassen sich in etwa mit den "freiwillig Längerdienenden" in der Bundeswehr vergleichen.

Schweden

Schweden schaffte die 1901 eingeführte Wehrpflicht 2010 ab. Zuletzt betrug der Wehrdienst elf Monate; zu ihm wurden 10 bis 15 % eines Jahrgangs eingezogen. Die Armee wird nun eine Berufsarmee (= Zeit- und Berufssoldaten auf freiwilliger Basis). Die Truppenstärke soll 15.000-20.000 Mann betragen.[24][25]

Der Systemwechsel wurde dadurch gefördert, dass die schwedische Armee

  • unter dem Dach der NATO im Kosovo stationiert ist (siehe "KFOR"),
  • für die Vereinten Nationen die Grenzen der beiden Koreas bewacht (NNSC = "Neutral Nations Supervisory Commission" = Neutrale Waffenstillstands- Überwachungskommission),
  • am Horn von Afrika zusammen mit anderen Nationen Piraten jagt (Teil der "Operation Enduring Freedom") sowie
  • unter dem Dach der NATO in Afghanistan stationiert ist (Teil der "ISAF").

Südafrika

Südafrika hat im August 1994 die Wehrpflicht abgeschafft. Während der Apartheid waren nur weiße männliche Personen ab 16 Jahren wehrpflichtig. Die Dienstzeit umfasste mehrere Jahre und wurde nicht hintereinander abgeleistet, sondern erfolgte mit teils großen Abständen zwischen den Einberufungen. Die Wehrpflichtigen wurden auch für den Dienst in der regulären Polizeitruppe des Landes eingesetzt und stellten zeitweise den Großteil der Polizisten im Lande. Ab 1984 existierte die „End Conscription Campaign“ (Kampagne zur Abschaffung der Wehrpflicht), die ihr Ziel nach den ersten freien und gleichen Wahlen 1994 erreichte. Es wird geschätzt, dass in den 1980er Jahren rund 50.000 südafrikanische (weiße) Jugendliche und junge Männer das Land nur aufgrund der Wehrverpflichtung verlassen haben.

Türkei

Der Wehr- bzw. sogenannte Vaterlandsdienst (vatan hizmeti) ist laut Art. 72 der türkischen Verfassung in Verbindung mit Art. 1 des Wehrdienstgesetzes Nr. 1111 vom 21. Juni 1927 Recht und insbesondere Pflicht jedes männlichen Staatsbürgers. Eine Wehrdienstverweigerung ist nach Art. 45 des Militärstrafgesetzbuches Nr. 1632 vom 22. Mai 1930 ausgeschlossen. Schon abgeleisteter Wehr- oder Zivildienst, etwa vor einer Einbürgerung, wird seit 1993 mit dem Ministerratsbeschluss 93/4613 anerkannt.

Nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 1111 beginnt die Wehrpflicht am 1. Januar des Jahres, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Die Wehrpflicht endet mit Beginn des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 41. Lebensjahr vollendet. Geschwister bzw. Kinder von im Dienst getöteten Soldaten sind nicht wehrpflichtig.

Seit dem 15. Juli 2003 dauert der reguläre Militärdienst für Soldaten (er) 15 Monate, für Reserveoffiziersanwärter (yedek subay adayı) 12 Monate und für Kurzzeitsoldaten (kısa dönem er) 6 Monate.[26]

Für türkische Staatsbürger, die sich länger als 3 Jahre (1095 Tage) im Ausland befinden, besteht die Möglichkeit, den Militärdienst durch eine einmalige Zahlung auf insgesamt 21 Tage[27] zu verkürzen. Für Personen unter 38 Jahren beläuft sich der Betrag auf 5112 Euro, für Personen über 38 Jahren sind es 7668 Euro.[28]

Ukraine

Der Wehrdienst ist in der Ukraine gesetzlich geregelt und setzt mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahrs ein. Der Wehrdienst (gesetzliche Pflicht) dauert insgesamt neun Monate.

USA

In den USA wurde die Wehrpflicht am 16. September 1940 eingeführt und 1973 ausgesetzt. Zuvor wurden Wehrpflichtige auch in großem Maße in Kriegen eingesetzt, zuletzt im Vietnamkrieg. Ferner wurde nie besonders großer Wert auf Wehrgerechtigkeit gelegt. So wurde in den Jahren zwischen Korea- und Vietnamkrieg nur ein Bruchteil der wehrpflichtigen Bevölkerung eingezogen, die Dienstzeit betrug jedoch zwei Jahre.
Alle männlichen Einwohner zwischen 18 und 25 Jahren müssen sich bei der Wehrerfassungsbehörde registrieren ("Selective Service System"), auch Ausländer. Zu Kriegszeiten durften einberufene Ausländer zwar den Dienst verweigern, verloren dadurch aber die Möglichkeit einer Einbürgerung auf Lebenszeit. Seit 1980 müssen junge Männer sich immer noch registrieren, werden aber nicht mehr einberufen. Eine Einberufung ist nur noch für den Fall einer "nationalen Krise" vorgesehen. Seit 1986 wird auch die Unterlassung dieser Registrierung nicht mehr strafrechtlich verfolgt; mittlerweile werden die entsprechenden Daten aus den Führerscheinregistern von den Bundesstaaten "freiwillig" übertragen.

Vereinigtes Königreich

Im Vereinigten Königreich wurde die Wehrpflicht während der beiden Weltkriege eingeführt. In den ersten beiden Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges verließ man sich noch auf Freiwillige, bis man sie 1916 in England, Schottland und Wales, sowie im August 1918 in Nordirland einführte. Nachdem sie bei Kriegsende 1918 wieder abgeschafft worden war, führte der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 zur Wiedereinführung. Diesmal wurde die Wehrpflicht nach Kriegsende beibehalten, aber 1949 zum National Service umgeformt, der 1961 abgeschafft wurde.

Zypern

In Zypern besteht Wehrpflicht. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 26 Monate. Ein Ersatzdienst wurde eingeführt.[29]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. CBC News Indepth: International military. Cbc.ca (30. Mai 2006). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  2. RIS: Art. 4 Abs3b Europäische Menschenrechtskonvention
  3. Wehrformen in der Nato. Asfrab.de. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  4. GG Art. 12. Lexetius.com. Abgerufen am 25. Januar 2011.
  5. Rechtsanwalt Dr. Thomas Fuchs, Mannheim: GG Art. 12. Lexetius.com. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  6. Bundesregierung legt Eckpunkte der Neugestaltung der Bundeswehr fest. Bmvg.de (15. Dezember 2010). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  7. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Internetredaktion (19. Mai 2010): Pressemitteilung der Familienminsterin Chistina Schröder. Bmfsfj.de. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  8. "Darabos' Geheimplan für das neue Heer" vom 5. Januar 2011 auf kurier.at
  9. Wehrpflicht: Generalstab mit Modellerstellung fertig, vom 5. Januar 2011 in der Onlineversion der Kleinen Zeitung.
  10. VfGH B365/89. Ris.bka.gv.at. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  11. Artikel 9a Abs3 B-VG. Ris.bka.gv.at (28. April 2010). Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  12. Fischer: Wehrpflicht für Frauen "langfristig denkbar". In: derStandard.at. APA, 22. Juli 2010, abgerufen am 22. Juli 2010.
  13. Wehrpflicht für Frauen "denkbar". In: www.oon.at. Oberösterreichische Nachrichten, 22. Juli 2010, abgerufen am 22. Juli 2010.
  14. Fischer rudert bei Wehrpflicht für Frauen zurück. In: derStandard.at. APA, 22. Juli 2010, abgerufen am 22. Juli 2010.
  15. Nationalrat hält an Wehrpflicht fest. news.ch (31. Mai 2011). Abgerufen am 31. Mai 2011.
  16. Eidgenössische Volksinitiative 'Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht'. Abgerufen am 7. März 2011.
  17. BMLV - Presseabteilung - Referat Internet: Österreichs Bundesheer - Aktuell - Wehrpflicht oder Berufsheer?. Bmlv.gv.at. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  18. Seite der Französischen Botschaft zum Thema „Verteidigung: Wehrpflicht und Professionalisierung der Streitkräfte“. Botschaft-frankreich.de. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  19. Französische Wikipédia: Journée d'appel de préparation à la défense
  20. Gesetz Nr. 226 vom 23. August 2004. Camera.it. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  21. 1980 Chronology of Namibian History, Conscription abgerufen am 2. Februar 2011
  22. Country loses consistent anti-colonialism campaigner, Namibia Economist, 25. Januar 2008
  23. Polen plant Abschaffung der Wehrpflicht. Eurotopics.net. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  24. http://www.tagesschau.de/ausland/wehrpflichtschweden100.html (nicht mehr online verfügbar)
  25. Schweden schafft Wehrpflicht ab. N-tv.de. Abgerufen am 18. Dezember 2010.
  26. Bedelli askerlik görünürde yok (Link nicht mehr abrufbar), CNNTÜRK, abgerufen am 24. Februar 2008
  27. Dövİzle askerlİk HİZMETİ, MSB Askeralma, abgerufen am 24. Februar 2008
  28. Dövizle askerlik esasları yeniden düzenlendi, CNNTÜRK, abgerufen am 23. Februar 2008
  29. Wehr- und Zivildienst in der EU. Deutsches-wehrrecht.de. Abgerufen am 18. Dezember 2010.

Siehe auch

Literatur

  • Andreas Ahammer, Stephan Nachtigall: 5 plus 1 - Wehrpflicht der Zukunft im Gesellschaftsdienst. Nomos, Baden Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4710-1.
  • Detlef Bald: Wehrpflicht – Der Mythos vom legitimen Kind der Demokratie. In: E. Opitz, F. S. Rödiger (Hrsg.): Allgemeine Wehrpflicht. Bremen 1994.
  • Menschenrecht, Bürgerfreiheit, Staatsverfassung. Kamp, Bochum 1964, ISBN 3-592-87010-6.
  • Detlef Bald: Die Wehrpflicht, das legitime Kind der Demokratie? In: SOWI-Arbeitspapier Nr. 56. München 1991.
  • Jürgen Kuhlmann, Ekkehard Lippert: Wehrpflicht ade? In SOWI-Arbeitspapier. Nr. 48. München 1991.
  • Paul Klein (Hrsg.): Wehrpflicht und Wehrpflichtige heute. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1991.
  • Roland G. Foerster (Hrsg.): Die Wehrpflicht: Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung. München 1994, ISBN 3-486-56042-5.
  • Gerhard Schmid (Hrsg.): Wehr- und Zivildienst in europäischen Ländern. Metzler Schulbuchverlag, Hannover 1994.
  • Wehrpflicht – Pro und Contra. In: Sicherheit und Frieden. Heft 2. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1995.
  • Jürgen Groß: Armee der Illusionen, Die Bundeswehr und die allgemeine Wehrpflicht. In: Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Heft 105, Hamburg 1997, ISSN 0936-0018.
  • Jürgen Groß, Dieter S. Lutz: Wehrpflicht ausgedient?. In: Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Heft 103. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg 1996.
  • Matthias Sehmsdorf: Wehrpflicht versus Freiwilligenarmee. Kovac 1996, ISBN 3-86064-698-2.
  • Karl W. Haltiner, Andreas Kühner (Hrsg.): Wehrpflicht und Miliz – Ende einer Epoche? Der europäische Streitkräftewandel und die Schweizer Miliz. In: Militär und Sozialwissenschaften. Band 25. Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-6104-2.
  • Heinz Magenheimer: Zur Frage der allgemeinen Wehrpflicht. Schriften der Landesverteidigungsakademie. Wien 1999, ISBN 3-901328-38-6.
  • Armin A. Steinmann, Dietmar Schössler (Hrsg.): Wehrhafte Demokratie 2000 – zu Wehrpflicht und Wehrstruktur. In: Wehrdienst und Gesellschaft. Band 5. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-6298-7.
  • Ute Frevert: Die kasernierte Nation. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47979-0.
  • Andres Prüfert (Hrsg.): Hat die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland eine Zukunft? Zur Debatte um die künftige Wehrstruktur. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0311-9.
  • Christian Herz: Kein Frieden mit der Wehrpflicht – Entstehungsgeschichte, Auswirkungen und Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Agenda, Münster 2003, ISBN 3-89688-165-5.
  • Florian Birkenfeld: Die Wehrpflicht in Deutschland. Kosten, Vergleich, Perspektiven. Müller, Saarbrücken 2006, ISBN 3-86550-181-8.
  • Niema Movassat: Abschied von der Wehrpflicht?. München 2007, ISBN 3-638-66331-0.
  • Jens Fleischhauer: Wehrpflichtarmee und Wehrgerechtigkeit. Die Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht im Blickwinkel sicherheitspolitischer, gesellschaftlicher und demographischer Veränderungen. Kovac, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8300-3233-5.

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Wehrpflicht – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Conscription – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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  • Wehrpflicht — Wehrpflicht, allgemeine, die durch Gesetz geregelte, für jeden Staatsangehörigen bestehende Verpflichtung zum Kriegsdienst, im Gegensatz zur Werbung (s.d.). Über die W. in den einzelnen Staaten s. die betr. Beilagen. [S. auch Beilage: ⇒ Heere und …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Wehrpflicht — Kriegsdienst; Konskription (veraltet); Dienst am Vaterland (umgangssprachlich); Militärpflicht; Dienst an der Waffe; Wehrdienst * * * Wehr|pflicht [ve:ɐ̯pf̮lɪçt], die; : Pflicht, Wehrdienst zu leisten …   Universal-Lexikon

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  • Wehrpflicht — Wehr|pflicht, die; ; die allgemeine Wehrpflicht …   Die deutsche Rechtschreibung

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  • Wehrpflicht — We̲hr·pflicht die; die gesetzliche Verpflichtung aller männlichen Bürger zum Wehrdienst || hierzu we̲hrpflich·tig Adj; We̲hr·pflich·ti·ge der; n, n …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Allgemeine Wehrpflicht — Weltkarte der Armeeformen Farbschlüssel ██ Keine (eigenen) Streitkräfte ██ Keine Wehrpflicht (Freiwilligenarmee / Berufsarmee) …   Deutsch Wikipedia

  • Wehrpflichtersatz — Wehrpflicht|ersatz,   seit 1. 1. 1997 Bezeichnung für den Militärpflichtersatz …   Universal-Lexikon

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